Gewalt



Jo Frank schildert in seinen kurzen Prosatexten sehr eindringlich Gewalterfahrungen.
Es geht um alle Arten expliziter körperlicher Gewalt, deren Auswirkungen und welche Möglichkeiten Sprache hat, jene Erfahrungen auszudrücken. Meines Erachtens sind es vielfältige sprachliche Experimente:


„Sage ich Gewalt, meine ich meine Gewalt, meine ich seine. I,II

I. Komme immer wieder hierauf zurück, renne immer hiergegen an: Schreibe nicht über Gewalt abstrakt, schreibe über Gewalt konkret. Schreibe über Faust auf Schläfe, schreibe über Fuß auf Handgelenk, schreibe über Knöchel gegen Augenhöhle, schreibe über Knie auf Hals. Schreiben über Gewalt konkret braucht Denken über Gewalt abstrakt.“

Selten sind im Buch ganze Sätze zu finden, es sind eher Aneinanderreihungen von Satzfragmenten, oft Wiederholungen und sehr sehr viele Fußnoten, römische und arabische Zahlen, die wie ein Metatext funktionieren, in dem man sich verlieren, abdriften kann. Beim Lesen springe ich in dieser spezifischen Anordung umher, selbst die Überschriften haben manchmal Fußnoten. Aber irgendwie passt das zu diesem Text, denn das Lesen über Gewalt verursacht eine innere Gedankenaufruhr, ich versuche zu verstehen, was Jo Frank sagen will und gleichzeitig forsche ich in meinen Erfahrungen und gleiche ab: Was passiert hier grade? Kenne ich diese Situation? Gefühle stürzen auf mich ein: eine intensive Leseerfahrung, die ich lange noch nicht verarbeitet habe.

Leseempfehlung für Menschen, die sich gerne mit eindringlichen, komplizierten Texten auseinandersetzen.

Vielen Dank an die Edition Atelier für das schöne Gespräch auf der Leipziger Buchmesse und das Leseexemplar 🌹.