
Die kurzen Geschichten in Anne Serres Buch „Im Herzen eines goldenen Sommers“ handeln von Facetten des Menschseins.
Sie setzen sich als Fragmente zu einem möglichen Selbstporträt der Autorin zusammen oder zu einer namenlosen Ich-Erzählerin. Viele verschiedene Perspektiven werden eingenommen, als Mutter, Tochter, Geliebte, Autorin, Mörderin etc – manche auch aus männlicher Perspektive.
Es werden zwischenmenschlichen Beziehungen dargestellt, Momentaufnahmen aus dem Alltagsleben, z.B. das Treffen einer vor 30 Jahren zuletzt gesehene Freundin.
Aber auch surrealere Situationen, z.B. in „Papa ist zurück“, der Besuch des toten Vaters aus dem Jenseits.
Traumhafte Episoden, Fiktives und Reales wechseln sich ab, so dass man ähnlich wie im Märchen (und wie in den „Gouvernanten“) manchmal nicht so recht weiß, in welcher Sphäre man sich als Leserin befindet. Aber auf eine spannende und gute Weise, die einen Lesesog entwickelt.
Häufig drehen sich die Geschichten konkret oder auch auf einer Metaebene ums Schreiben und die Literaturwelt, wie z.B. in der traumartigen Szene, in der eine Autorin einen Verleger erschießen will, der ihr nicht antwortet.
Wundervoll finde ich Serres Sprache, so lebendig und differenziert, es gibt keine Wiederholung, jedes Wort mit Bedacht und Sorgfalt gewählt, dabei aber nicht mit wissenschaftlichen Fremdwörtern überlastet. Ähnlich wie der Sprachstil von Alice Munro. Freue mich sehr auf weitere ins Deutsche übersetzte Bücher von ihr.
Große Leseempfehlung!
#namethetranslator : Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky
