Der Ungeborene


Kurzer Leseeindruck zu „Der Ungeborene oder die Himmelsareale des Anselm Kiefer“

In Christoph Ransmayr Essay über Anselm Kiefer beschreibt er einen nächtlichen Spaziergang durch dessen Privatgelände in Barjac, Frankreich, auf dem Kiefer eine alte Seidenfabrik in ein monumentales Atelier mit Anbauten verwandelt hat.

Der frisch gebaggerte Weg führt unter dem Licht der Sterne vorbei an bleiernen Buchseiten im Gestrüpp, an ruinenartigen hohen Türmen, einem auf dem Kopf stehenden Haus, das Kiefer von einem Kran hat „auf das Dach“ fallen lassen und monumentalen Sonnenblumen, in Mänteln aus Gips gehüllt, bis die Besucher (oder besser Wanderer) schließlich auf eine von Kiefer auf Knopfdruck hellerleuchtet Reihe von Glashäusern treffen und ihre Reise unter deren Streulicht fortsetzen.
Ransmayr setzt sich während des Spaziergangs gedanklich mit Kiefers Kunst auseinander, bezeichnet sein Werkzeug, all die Baumaschinen, Äxte, Flammenwerfer, als „alles, womit einer ein Land zu seinem Land und die Welt zu seiner Welt macht.“
Die monumentalen Bauten und menschenleeren Landschaften, die mächtigen Gesten der Eroberung verweisen doch (und so habe ich es auch in der Ausstellung in Holland begriffen) auf eine Kunst, die immer wieder den vernichtenden Lauf der Zeit im Blick hat.

Ransmayrs Sprache habe ich in diesem Text als sehr poetisch empfunden, fast wie in einem Langgedicht.

Unbedingte Leseempfehlung für Kiefer-Fans!

#backlist : Erschienen 2002 im S.Fischer Verlag