Ferymont


Lorena Simmels Debütroman „Ferymont“ handelt vom Arbeitsalltag der Saisonarbeiter*innen in einem fiktiven gleichnamigen Dorf in der Schweiz.
Die namenlose Ich-Erzählerin studiert in Berlin und kehrt in ihrer Heimat Ferymont zurück, um auf den Feldern zu arbeiten und Geld zu verdienen.
Sehr spannend fand ich, das Lorena Simmel die Erzählstimme zwar aus der Ich- Perspektive schreibt, aber nicht ihre Individualität im Vordergrund steht, sondern die Geschichten der anderen Figuren.
Stichwort: Solidarisches Erzählen. Das geschieht, indem die Ich-Erzählerin sehr zurückgenommen ist, eine Person ohne Ecken und Kanten, ohne Namen und ohne zu bewältigende Krisen. Sie ist am Ende des Buches genau die gleiche Person wie am Anfang und hat keine Entwicklung durchgemacht.
Stattdessen eröffnet sie uns den Blick auf andere Figuren, z. B auf die gleichaltrige Daria, die mit Mann und Kind aus Moldawien angereist ist, um auf den Feldern zu arbeiten, weil sie in ihrer Heimat als Gerichtsvollzieherin nicht genug verdient.
Detailliert beschreibt Simmel, wie hart die Saisonarbeiter*innen arbeiten, bei sengender Hitze auf den Feldern den Spargel stechen, auf den Knien kriechend im heißen Folientunnel in Rekordzeit die Erdbeeren von den Sträuchern pflücken müssen, ohne sie dabei zu zerdrücken, dazu die unmenschlichen Arbeitsbedingungen einer sieben Tage Woche.
Durch den Vorarbeiter Konrad erfahren wir von der Zerrissenheit, einerseits das Heimweh und die Sehnsucht nach seiner Familie, die in Polen geblieben ist, andererseits verdient er hier viel Geld, wird von den Arbeitergebern geschätzt und bekommt verantwortungsvoller Aufgaben, fühlt sich in Ferymont sehr wohl, während seine Frau zuhause Angst hat, dass er nicht mehr nachhause zurückkommt.
Wie ein Mosaik setzen sich die verschiedenen Geschichten der Saisonarbeiter*innen zu einem Porträt zusammen und wir Lesenden bekommen einen Eindruck, wie es sein muss, in dieser Zerrissenheit und mit dieser harten körperlichen Arbeit zu leben.

Ein Buch, das zum Nachdenken anregt, Erdbeeren im Karton sehe ich jetzt mit anderen Augen.

Leseempfehlung!